Die EU-Wahl machte es deutlich: Die Menschen sind mit der Mehrheit der etablierten Parteien unzufrieden. Sorgen bereiten der SoVD-Vorstandsvorsitzenden Michaela Engelmeier dabei die Zugewinne rechter Parteien. Sie rief dazu auf, sich einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzustellen. Die Politik, so Engelmeier, müsse die Unzufriedenheit ernst nehmen und durch eine stärkere soziale Sicherung das Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen.
Gibt es immer größere Risse in unserer Gemeinschaft? Und werden die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern immer tiefer? Zumindest, wenn man sich den Zulauf anschaut, den vor allem Parteien am Rande des politischen Spektrums erhalten, scheint sich dieser Eindruck zu bestätigen. Aus der Wahl zum Europäischen Parlament Anfang Juni gingen besonders rechtspopulistische Bewegungen gestärkt hervor – auch in Deutschland.
Für die Professorin Bettina Kohlrausch stecken hinter dieser Entwicklung diffuse, aber weit verbreitete Gefühle von Verunsicherung und Unzufriedenheit.
Schwindendes Vertrauen in Politik und Staat
Die Direktorin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung leitet daraus das Bild eines in vielerlei Hinsicht gespaltenen Landes ab. Prozesse wie die Digitalisierung oder die Globalisierung, so Kohlrausch, machten vielen Menschen Angst. Gleichzeitig trauten sie dem politischen System nicht zu, diese großen Herausforderungen zu bewältigen.
Die Soziologie-Professorin warnt davor, dass sich gerade populistische Parteien diese Sorgen und die Angst vor einem Kontrollverlust zunutze machen und so zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wolle die Politik dieser Entwicklung etwas entgegensetzen, müsse sie Angebote zu einer besseren sozialen Absicherung machen und vor allem glaubhaft vermitteln, dass die Probleme politisch gestaltbar sind.
SoVD sieht Bundesregierung in der Verantwortung
Ähnlich bewertet der SoVD die derzeitige Entwicklung. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Michaela Engelmeier, erklärte, das Erstarken der Demokratiefeinde sei auch Ausdruck einer tiefen Unzufriedenheit weiter Teile der Bevölkerung mit der Politik der vergangenen Jahre.
Laut Engelmeier gelte es nun, auf europäischer Ebene die soziale Sicherung zu stärken und für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Das Ergebnis der Europawahl sei aber auch ein Arbeitsauftrag an die Bundesregierung, einer weiteren Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Zusammenhalt hängt stark von Inklusion ab
In ihrem Projekt „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ misst die Bertelsmann Stiftung, wie es um das solidarische Miteinander in verschiedenen Staaten tatsächlich bestellt ist. Für Deutschland kommen die Untersuchungen dabei zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit und auch die Chance, etwas zu verbessern, vor allem im Bereich einer umfassend verstandenen Inklusion liegen. Den Wissenschaftler*innen zufolge geht es hierbei allgemein um eine größere Akzeptanz von Menschen mit abweichenden Lebensstilen und -entwürfen.
Ein wichtiger „Schlüssel“ zur Überwindung von Spaltung liegt somit in der Teilhabe, im Mitmachen. Und das hat einen positiven Nebeneffekt. Denn die Studie der Stiftung zeigt auch, dass Menschen vor allem dann ein zufriedenes und erfülltes Leben führen, wenn sie in einem Gemeinwesen leben, dem sie sich zugehörig fühlen, in dem sie miteinander verbunden sind und wo sie sich für das Gemeinwohl einsetzen.