Zusammenfassung des Gesetzentwurfs
Zur Erhöhung der Transparenz soll das Bundesministerium für Gesundheit künftig zur Information und Aufklärung von Patient*innen aktuelle sowie fortlaufend aktualisierte Daten über das Leistungsangebot und die Qualitätsaspekte des stationären Versorgungsgeschehens in Deutschland veröffentlichen (Transparenzverzeichnis). Dafür sollen den Krankenhäusern Versorgungsstufen (Level) zugeordnet sowie die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte transparent dargelegt werden. Ziel ist es, dass Bürger*innen die Möglichkeit erhalten, sich über das Leistungsgeschehen des jeweiligen Krankenhausstandorts angemessen zu informieren und in die Lage versetzt werden, eine selbstbestimmte und qualitätsorientierte Auswahlentscheidung für die jeweilige Behandlung treffen zu können. Ferner erhofft sich der Gesetzgeber eine Motivation der Mitarbeitenden der Krankenhäuser, stetig Verbesserungspotenziale zu heben und Prozesse im Versorgungsgeschehen zu optimieren.
Laut einer Klarstellung im Gesetz soll die Veröffentlichung des Transparenzverzeichnisses keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und für die Krankenhausvergütung haben. Die Leistungsgruppen werden ausschließlich zum Zweck der Veröffentlichung im Transparenzverzeichnis benannt. Die Definition und Ausgestaltung der Leistungsgruppen bleibt der Krankenhausreform vorbehalten. An dem in den Eckpunkten vereinbarten Verfahren zur erstmaligen Definition und Weiterentwicklung von Leistungsgruppen werde ausdrücklich festgehalten.
SoVD-Gesamtbewertung
Der SoVD befürwortet grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzes, die Information und Aufklärung der Patient*innen durch Veröffentlichung des Leistungsangebots und von Qualitätsaspekten des stationären Versorgungsgeschehens zu verbessern. Denn eine transparente und leicht verständliche Informationsmöglichkeit der Patient*innen ist unerlässliche Voraussetzung dafür, damit Patient*innen eine selbstbestimmte und qualitätsorientierte Auswahlentscheidung für die jeweilige Behandlung treffen können.
Um eine mehrwertbietende Patienteninformation über Qualität und Leistungsangebot zu erreichen, braucht es jedoch mehr Patientenorientierung und eine zielorientierte Ausgestaltung. Dafür sind wesentliche Ergänzungen im Gesetz unerlässlich.
Erweiterte Datengrundlage für bessere Patienteninformation
Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 135d Absatz 1 und 3 SGB V)
Laut Entwurf soll das Transparenzverzeichnis insbesondere konkret genannte standortbezogene Informationen der Krankenhäuser enthalten. Die Datengrundlage für diese Informationen, die Eingang im Transparenzverzeichnis finden, beschränkt sich auf sogenannte Strukturdaten nach § 299 Absatz 7 SGB V.
SoVD-Bewertung: Die patientenverständliche Information über signifikante standortbezogene Informationen der Krankenhäuser im Transparenzverzeichnis ist wichtig. Einen tatsächlichen Mehrwert für die qualitätsorientierte Auswahlentscheidung der Patient*innen bieten v.a. die Darstellungen der erbrachten Leistungen der Krankenhäuser, differenziert nach Leistungsgruppen und der jeweils erbrachten Fallzahl (Nr. 1), die personelle Ausstattung je Leistungsgruppe im Verhältnis zum Leistungsumfang (Nr. 3) und die Einbeziehung patientenrelevanter Ergebnisse aus dem Qualitätssicherungsverfahren nach § 136 Absatz 1 SGB V (Nr. 4).
Die Beschränkung der Datengrundlage auf sogenannte Strukturdaten nach § 299 Absatz 7 SGB V überzeugt hingegen nicht. Für eine gute Patienteninformation muss die Datengrundlage zusätzlich erweitert werden. Notwendig ist insbesondere die Berücksichtigung weiterer Datenquellen, die auch die tatsächliche Patientenerfahrung einbeziehen. Fragebögen zur Messung der Patientenerfahrung sammeln Informationen über die Patientenerfahrung zu einer zurückliegenden Behandlung. Sogenannte Patient Reported Experience Measures (PREMs) konzentrieren sich dabei auf die Auswirkungen des Versorgungsprozesses z.B. bezüglich Kommunikation oder der Unterstützung. Daneben erfassen Patient Reported Outcome Measures (PROMs) wichtige Ergebnisse zur subjektiv wahrgenommenen medizinischen Versorgung. Patientenbefragungen fließen bereits als zusätzliche Datenquelle in die Beurteilung der Qualität medizinischer Leistungen ein. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss zu den Regelungen zur Patientenbefragung fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bereits am 22. November 2019. Daten aus Patientenbefragungen tragen zur Qualitätsverbesserung und mehr Patientenorientierung im Gesundheitswesen bei. Auf diese Datenquellen darf keinesfalls verzichtet werden. Sie müssen als zentrale Information von Patient*innen für Patient*innen in die Datengrundlage des Transparenzverzeichnisses einbezogen werden.
Auch die Daten der bisherigen Qualitätsberichte, die das Leistungsspektrum detailliert abbilden, enthalten wertvolle weitere Strukturmerkmale. Als weitere Datenbasis sind Zentrumszertifizierungen zu nennen.
Letztlich sollte eine regelmäßige Evaluation und kontinuierliche Weiterentwicklung des Transparenzverzeichnisses normiert werden. Zudem fordern wir eine umfassende Open-Data-Regelung. Dies ermöglicht insbesondere mehr Transparenz, eine bessere Informationsnutzung und der Rechenschaftslegung. Die Qualitätsberichte der Krankenhäuser werden heute schon mit entsprechenden Nutzungsbedingungen zur Nutzung ohne Zweckbindung zur Verfügung gestellt. Deshalb sollten auch hier die Daten in maschinenlesbarer Form und mit Verknüpfung sämtlicher Datenbestandsteile untereinander und eineindeutiger Zuordnung zu den Krankenhausstandorten ohne Zweckbindung öffentlich zugänglich gemacht werden, um einen Rückschritt zu vermeiden. Nutzungsbedingungen können auf Grundlage der geltenden Nutzungsbedingungen des G-BA zu den Qualitätsberichten festgelegt werden.
Patientenbeteiligung gewährleisten
Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 135d Absatz 1 und 6 SGB V)
Das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen nach § 137a SGB V (IQTiG) wird mit der erforderlichen Aufbereitung, Zusammenführung und Auswertung der Daten für das Transparenzverzeichnis beauftragt.
SoVD-Bewertung: Die für die Wahrnehmung der Interessen der Patien*tinnen und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen sind umfassend zu beteiligen. Eine patientenorientierte Qualitätsinformation kann es nicht ohne eine umfassende Patientenbeteiligung geben. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der mit diesem Gesetz vorgesehenen Streichung des gesetzlichen Auftrags an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in § 136a Abs. 6 SGB V, womit auch die Beteiligung der Patientenvertreter*innen im dortigen Beratungsprozess entfällt.
Mehrbedarfsdeckende Ausstattung statt Priorisierung
Zu Artikel 1 Nr. 1 (§ 135d Absatz 2)
Der Gesetzentwurf ordnet eine Pflicht des IQTiG zur prioritären Erfüllung der neuen Aufgabe an. Sonstige gesetzliche sowie in Richtlinien und Beschlüssen des G-BA konkretisierte Aufträge und andere Aufträge des G-BA an das IQTIG sind durch das IQTIG nachrangig zu erfüllen, sofern die personellen und finanziellen Ressourcen des IQTIG eine gleichzeitige Aufgabenerfüllung aus Sicht des IQTIG nicht ermöglichen.
SoVD-Bewertung: Anstelle einer Priorisierung der Aufgaben des IQTiG zu normieren, sollte die personelle und finanzielle Ausstattung des IQTiG zur Aufgabenerfüllung den Mehrbedarf entsprechend sicherstellen. Dann ist auch eine Priorisierung obsolet. Anderenfalls droht mit der gesetzlichen Priorisierung und der nachrangigen Erfüllung der sonstigen Aufgaben des IQTiG auch eine zunehmende Verzögerung bei Bewältigung und fristgerechten Erfüllung der Aufgaben und Aufträge des G-BA. Dies dürfte gerade in der Anfangszeit bei der Umsetzung der neuen Aufgabe des IQTiG zu befürchten sein.
Kollateralschaden bei ambulanter Qualitätsprüfung abwenden
Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 136a Abs. 6 SGB V)
Der Gesetzentwurf sieht die Streichung des bisherigen gesetzlichen Auftrags an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Festlegung einheitlicher Anforderungen für die Information der Öffentlichkeit zum Zweck der Erhöhung der Transparenz und der Qualität der Versorgung durch einrichtungsbezogene risikoadjustierte Vergleiche, sowohl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer (ambulante Versorgung) als auch der zugelassenen Krankenhäuser, vor. Des gesetzlichen Auftrags bedarf es laut Gesetzesbegründung für den stationären Bereich wegen der Einführung des Transparenzverzeichnisses und der nicht fristgerechten Umsetzung bis zum 31. Dezember 2022 nicht mehr. Qualitätsvergleiche bei an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern sollen stattdessen perspektivisch ermöglicht werden.
SoVD-Bewertung: Mit der beabsichtigten Streichung entfällt auch der Auftrag für einrichtungsbezogene risikoadjustierte Vergleiche der ambulanten Versorgung. Das Gesetz sieht in der Begründung lediglich perspektivisch die Möglichkeit näherer Ausgestaltung vor. Dies ist nicht akzeptabel. Es droht eine zusätzliche erhebliche Verzögerung bei der Umsetzung der ambulanten einrichtungsbezogenen Qualitätsprüfung und bei Qualitätsvergleichen ambulanter Leistungserbringer als Kollateralschaden – wenn nicht sogar ein Stillstand. Qualitätsvergleiche ambulanter Leistungserbringer perspektivisch zu ermöglichen, genügt nicht. Soweit an der Streichung festgehalten wird, sollte zeitgleich ein Transparenzverzeichnis auch für den ambulanten Versorgungsbereich auf den Weg gebracht werden.
Umsetzung der Veröffentlichung näher ausgestalten
Zu Artikel 1 (§ 135d Absatz 1)
Zur Förderung der Qualität der Versorgung durch Transparenz veröffentlicht das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Transparenzverzeichnis über die Krankenhausbehandlung in Deutschland im Internet, um insbesondere Patient*innen in leicht verständlicher, interaktiver Form über das Leistungsangebot am jeweiligen Krankenhausstandort zu informieren. Das IQTiG hat die aufbereiteten Daten an eine vom BMG zu bestimmende Stelle zu übermitteln. Die Veröffentlichung erfolgt erstmals zum 1. April 2024 und soll fortlaufend auf Basis neuer Datenauswertungen aktualisiert werden.
SoVD-Bewertung: Angaben zur näheren Umsetzung der Veröffentlichung und zur näher zu bestimmenden Stelle fehlen in Gänze, obwohl gerade dieser letzte Umsetzungsschritt ganz entscheidend für die Zielerreichung des Gesetzes ist. Eine nähere Ausgestaltung im Gesetz ist daher wichtig. Bei der Veröffentlichung müssen ein barrierefreier Zugang und eine intuitive niedrigschwellige und leicht verständliche Nutzbarkeit des Verzeichnisses bzw. der Plattform sichergestellt werden, um nicht ebenfalls dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, die Öffentlichkeit nicht angemessen über die stationäre Qualität und Leistungserbringung zu informieren. Sinnvoll wäre eine unabhängige, staatsferne und sich allein dem Patienteninteresse verpflichtete Stelle.
Zudem sollten bestehende und künftige Datenwege stärker digitalisiert und Potenziale im Patienteninteresse genutzt werden. Sinnvoll ist zudem, dass die Informationen auch in der Versorgungspraxis tatsächlich zur Verfügung stehen und genutzt werden. Das ist durch die Einbettung der Informationen in die elektronische Patientenakte und in die Arztinformationssysteme zu realisieren.
Berlin, 28. August 2023
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik